EcoBin
Die globale Herausforderung des Klimawandels erfordert eine umfassende Energie- und Verkehrswende. Angesichts der bis 2045 angestrebten Treibhausgasneutralität muss auch die Binnenschifffahrt die Emissionen drastisch reduzieren und innerhalb weniger Jahrzehnte eine vollständige Dekarbonisierung der Antriebe und Verbräuche an Bord erreichen. Da diese Aufgabe eine weitreichende Umstellung der Energie- und Antriebskonzepte erfordert, kann sie nur schrittweise und im Rahmen aufwändiger technologischer Entwicklungen erfolgen. Umso wichtiger ist es deshalb, als ersten Schritt alle Potenziale zur Reduzierung des Energieverbrauchs auszuschöpfen. Das energieeffiziente Fahren ist hierfür ein zentraler Ansatz, der vergleichsweise zügig und mit geringen Investitionen umgesetzt und für weite Teile der Flotte angewendet werden kann. Darüber hinaus hat sich der Druck zur Reduzierung des Energieverbrauchs durch die gestiegenen Treibstoffkosten deutlich verschärft.
Allerdings ist das energieeffiziente Fahren aufgrund der komplexen Zusammenhänge und zahlreichen Interaktionen zwischen Schiff und Wasserstraße bei kontinuierlich wechselnden Wassertiefen, Strömungen und Verkehrssituationen mit erheblichen Herausforderungen für die Schiffsführung verbunden. Die Automatisierung bietet jedoch die Chance, diese Zusammenhänge auf einfache Weise zugänglich zu machen und die Einsparungspotenziale unmittelbar zu erschließen.
Im Rahmen dieses Vorhabens soll ein Bahnführungsassistenzsystem um das energieoptimierte Fahren auf Fließgewässern unter dynamischer Berücksichtigung der Ankunftszeit, der fahrdynamischen Eigenschaften sowie der externen Einflüsse durch Gewässer und Verkehr auf den Leistungsbedarf weiterentwickelt werden. Es wird ergänzt um ein Werkzeug für ein Verbrauchsmonitoring und eine energieoptimierte
Disposition der Flotte.
Projektlaufzeit: 01.01.2024 – 31.12.2026
Projektpartner
Argonics GmbH
Heßbrühlstraße 21D
70565 Stuttgart
Ansprechpartner: Dr.-Ing. Alexander Lutz
Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V.
Oststr. 77
47057 Duisburg
Ansprechpartner: Niels Lange
Ingenieurbüro Kauppert
Nebeniusstr. 34
76137 Karlsruhe
Ansprechpartner: Tim Feierfeil
HGK Shipping GmbH
Dr.-Hammacher-Straße 49
47119 Duisburg
Ansprechpartner: Anica Rieck
Die EcoBin Teilvorhaben:
„FuelPilot“ – Argonics
Das Teilvorhaben „FuelPilot“ beschäftigt sich mit der Erforschung eines Assistenzsystems, welches den Treibstoffverbrauch optimiert. Eine solche Optimierung der Schiffsführung kann dazu beitragen, den Treibstoffverbrauch der bestehenden Binnenschifffahrtsflotte zu reduzieren, die Umweltbelastung zu minimieren und die Wirtschaftlichkeit der Binnenschifffahrt zu erhöhen.
Zunächst werden die relevanten Faktoren identifiziert, welche den Treibstoffverbrauch beeinflussen. Dazu gehören insbesondere der Wasserstand, die Strömung, die Beladung sowie die Geschwindigkeit des Schiffes. Anschließend werden mathematische Modelle erstellt, die die Auswirkungen dieser Faktoren auf den Treibstoffverbrauch beschreiben. Ein zu entwickelnder Algorithmus optimiert den Treibstoffverbrauch durch Anpassung der Geschwindigkeit und der zu fahrenden Sollbahn unter Berücksichtigung o.g. Einflussfaktoren. Dabei muss die zeitgerechte Ankunftszeit berücksichtigt werden, um vorgegebene Zeitpläne einhalten zu können. Die Integration in das Assistenzsystem argoTrackPilot erweitert die automatische Bahnführung um eine Komponente zur automatischen Geschwindigkeitsregelung.
Um die Nutzerakzeptanz und Bedienfreundlichkeit des Assistenzsystems zu erhöhen, wird eine Optimierung der Benutzererfahrung durchgeführt. Hierfür werden Rückmeldungen von Schiffsführern gesammelt und ausgewertet, um potenzielle Verbesserungen in der Funktionalität des Systems sowie seiner Benutzeroberfläche (HMI) zu ermitteln und anschließend umzusetzen.
„EcoBin-Opt“ – DST
Das Verbundvorhaben EcoBin zielt darauf ab, Energiesparpotenziale durch energieeffizientes Fahren in der Binnenschifffahrt zu erschließen. Hierzu wird ein Bahnführungsassistenzsystem um das energieoptimierte Fahren auf Fließgewässern unter Berücksichtigung der Ankunftszeit, der fahrdynamischen Eigenschaften des Schiffes sowie externer Einflüsse von Gewässer und Verkehr auf den Leistungsbedarf erweitert.
Innerhalb dieses Rahmens umfasst das Teilvorhaben EcoBin-Opt die Entwicklung des Schemas zur Prognose des Leistungsbedarfs sowie eines holistischen Verfahrens zur Optimierung der Trajektorien mit dem Ziel der Minimierung des Energieverbrauchs. Diese Arbeiten bilden notwendige Voraussetzungen zur Entwicklung des angestrebten Assistenzsystems und den Schwerpunkt des Teilvorhabens EcoBin-Opt.
Das angestrebte Assistenzsystem soll als selbstlernendes System in der Lage sein, die Eigenschaften und Verhaltensweisen des jeweiligen Schiffes beim Fahren zu lernen. Dadurch soll ein breites Anwendungsspektrum, d.h. eine Nutzbarkeit für eine große Zahl gängiger Schiffe und Einsatzkonstellationen ermöglicht werden. Da das System dynamisch auf veränderliche Zielzeitvorgaben reagieren können soll, ist es notwendig, die Berechnung der optimalen Trajektorie in regelmäßigen Abständen mit aktualisierten Ankunftszeitvorgaben wiederholen zu können. Hierbei sollen auch aktualisierte Daten zu Strömung und Verkehrsdichte mit einbezogen werden.
„EcoFleet“ – HGK
Wohlwissend um die bereits im Leitantrag erwähnten ökonomischen und ökologischen Herausforderungen, die perspektivisch angestrebten Vorhaben zur Dekarbonisierung sowie entsprechende technologische Anpassungen in Bezug auf Energieversorgungs- und Antriebskonzepte, streben wir in diesem Teilvorhaben die Identifikation von Energieverbräuchen und Einsparpotentialen mittels datenbasierter, digitaler und nautischer Innovationen an. Potenziale der Reduzierung des Energieverbrauchs werden sowohl in der Numerik und der Simulation als auch in der Praxis, d.h. im regulärem Frachtbetrieb, quantifiziert.
Dazu werden Gasölverbräuche und aus diesen resultierende Abgasemissionen – unter Berücksichtigung der komplexen Zusammenhänge und zahlreichen Interaktionen zwischen Schiff und Wasserstraße bei kontinuierlich wechselnden Wassertiefen, Strömungen und Verkehrssituationen sowie Verbandskonstellationen und Abladungen – dargestellt und untereinander sowie mit Daten, welche aus Perioden vor dem Teilvorhaben stammen, verglichen und analysiert. Dabei steht die Auswertung der Daten zur Ermittlung von Einsparpotenzialen unter Berücksichtigung der differenten Parameter je Strecke/Transport im Vordergrund. Die Entwicklung eines auf vielfältigen Daten basierenden Flottenmonitorings dient, unter Verwendung reeller und simulierter Datensätze, dem Ziel ein Flottenreporting inklusive individueller Bewertungen und Maßnahmenidentifikation zur Kraftstoffeinsparung zu etablieren.
Durch eine energieeffizientere und -optimierte Fahrweise mittels einzusetzender und bis dato nicht etablierter Assistenzsysteme sowie entsprechender Sensibilisierung und Schulung der Schiffsführer, wird als Resultat ein Einsparpotential des Bunkerverbrauchs und somit der CO2-Emissionen von 5% – 8% erwartet.
„OPTim“ – Ingenieurbüro Kauppert (ibk)
Das Teilvorhaben „OPTim“ im Forschungsvorhaben „EcoBin“ soll Potentiale zur Energieeinsparung durch angepasste Fahrweise im Praxisbetrieb identifizieren und Grundlagen für die Förderung des Bewusstseins für energieeffizientes Fahren auf Binnenwasserstraßen erarbeiten.
Anhand reeller Verkehrsdaten von Projektpartnern aus dem Praxisbetrieb und bekannter Ansätze zum Schiffswiderstand in beschränktem Fahrwasser soll der Energiebedarf entlang gefahrener Routen mithilfe einer vorhandenen, weiterzuentwickelnden Verkehrssimulation approximiert werden. Durch Anwendung von Optimierungsalgorithmen sollen optimierte Geschwindigkeitsprofile unter Beachtung der hydraulischen Verhältnisse und der Gewässertopologie berechnet und der zugehörige Energiebedarf abgeleitet werden.
Hiermit können Theorie und Praxis gegenübergestellt, ungünstiges Fahrverhalten aufgezeigt und das Potential zur Energieeinsparung verdeutlicht werden.
Die Erkenntnisse können im Rahmen von Ausbildung und Schulung, aber auch im täglichen Praxisbetrieb genutzt werden, um das Bewusstsein für energieeffizientes Fahren bei Schiffsführern zu schärfen und im Tagesbetrieb zu verankern.
Das Ziel ist die Entwicklung einer Möglichkeit zur kurzfristigen Reduktion des Energiebedarfs in der Binnenschifffahrt auch ohne kostenintensive technische Maßnahmen – wie automatisierte Steuerungen – durch eine angepasste Fahrweise. Hierfür soll ein einfaches Assistenz- und Trainingssystem geschaffen werden, um den Schiffsführer mit einem „low-cost“-Ansatz ohne Eingriffe in die Bordelektronik bei einer energieeffizienten Fahrweise zu unterstützen.